Das Gedichtchen stammt aus meiner Studienzeit – Anfang der 70er Jahre in Berlin, als ich sehr verliebt war und verwirrt. Einiges davon findet sich in „Babels Berg“
Ein Apfelsinenmond lugt zwischen Ästen
Mit Frühlingsahnung kokettiert der Wind
Spielt mit dem S-Bahn-Rattern aus dem Westen
Er wirft mit Staub und macht uns beide blind.
Das schadet nichts, wer küsst braucht nichts zu sehen
Und zaust er unsre Haare noch so sehr:
Nur Wetterhähne lassen leicht sich drehen
Ein Liebespaar verträgt schon etwas mehr.
Wie ein begabter Maler mit scheinbar nur ein paar spontan platzierten Strichen, in Wahrheit mit beeindruckender Wort- und Bildvirtuosität, lässt du eine Situation der Intimität lebendig werden, in der ein Freiraum entsteht und bewahrt wird, wobei offen bleibt, ob das Drumherum bei all seiner Seduktivität unerreichbar bleibt oder die dramatis personae schlicht nicht interessiert. Sehr gelungen, Immo, Zugabe!
Kommt mir sehr nahe, habe Ende der Achtziger in der Stargarder Straße gewohnt und die bisher von mir so noch nie wahr genommene Metapher „S-Bahn-Rattern“ aus dem Westen erinnert mich und auch stilistisch ne schöne Sache, so etwas Jakob van Hoddis sitzt mit auf der Schaukel der Erinnerung
Danke vor allem für den schmeichelhaften Vergleich mit dem von mir sehr geschätzten Dichter. Den kannte ich allerdings zur Eintstehungszeit dieser Kleinigkeit noch nicht, ich wohnte damals in der Scherenbergstraße – fünf Minuten von der Stargarder 🙂