“Weihnachtsfriede, Weihnachtsfreude, Weihnachts…”, nein, das dritte Wort war nicht “Eierkuchen”. Es war ein Wort, das der alte Pfarrer, ein Orator vor dem Herrn, in der Heiligabend wie sonst nie gefüllten Kirche dem Publikum abverlangte. Dem Publikum, denn “Gemeinde”, Gläubige, die zum Gottesdienst kamen, waren ja nur wenige. Die meisten dieser Kirchenbesucher wollten sich in die rechte Stimmung bringen und den mitgebrachten Kindern die Zeit bis zur Bescherung verkürzen. Ganz wenige kamen, weil sie sich dem antireligiösen Staatswesen widersetzen wollten. Der Pastor wartete einen winzigen Moment, als wollte er das Wort aus dem Publikum hören.
Was war eigentlich dieses „dritte Wort“?
Denk nach. Was passt zu Weihnachten, zu Friede und Freude – außer Eierkuchen?
Heringssalat?
Stimmt. Auch Tauwetter. Vor allem natürlich „Geschenke“. Und der Baum.
Wenn wir ihn aus dem frischen Pulverschnee im Hof holten, war er noch steif vom Frost. Wir schüttelten ihn ab, trugen ihn die Tonleiter hoch, spitzten mit einem großen Küchenmesser das untere Ende zu. Der Fuß wurde in einem Holzkreuz verkeilt, die Wohnzimmertür verriegelt, denn er stand genau davor, in einer Ecke, und er reichte bis zur Decke.
Bis an eine besonders auffällige Schmutzbatik. Ja, an einen Winter erinnere ich mich besonders. Es fror Stein und Bein, und unser Christbaum war ein Prachtexemplar, gerade gewachsen, so hoch, dass wir unten etwas absägen mussten. Wir packten den Schmuck aus den Schachteln: die Kerzenhalter voll altem Wachs wurden angeklemmt, die silbernen Kugeln, Vögel, Glocken so verteilt, dass sie nicht über den Kerzen hingen, möglichst auch nicht darunter, damit wenigstens ein paar über die Feiertage kamen, ohne von Stearin bekleckert zu werden. Es war sehr alter Christbaumschmuck, damals schon mindestens 20, 30 Jahre alt, und es war ziemlich viel. Der Baum hing voll und bekam zum Schluss noch ordentlich Lametta.
„Früher war mehr Lametta“!
Ja. Der Baum sah prächtig aus. Heiligabend mittags taute er auf und begann zu duften.
Fichte oder Tanne?
Keines von beiden. Er hatte ein Geheimnis, das vom Frost konserviert worden war, und nun, da in der Stube das Eis schmolz, gab er es preis: Im verschneiten Hof hatte ihn der schwarze Kater angepinkelt.
Woher weißt du, dass es der schwarze war? Im Hof trieben sich Dutzende Kater herum.
Der schwarze war der hässlichste und bösartigste, unbestritten. Einmal hätte ich ihn fast erwischt, wie er auf die Schwelle meines Kinderzimmers pisste, der Gestank war unverwechselbar. Wir mussten also an jenem Heiligabend mittags den wunderschönen Baum abdekorieren, wegschaffen und irgendwie einen neuen besorgen.