Es ist erreicht

Spaßeshalber habe ich heute per google mal nach „Ich brauche mich um nichts mehr zu kümmern“ gesucht. Dann habe ich gestaunt.
Es fanden sich unter der Adresse eines österreichischen Esotherikforums die Verse
hallo
ich bin Hansi und mir gehts saugut
denn ich bin an das Ende meiner Suche angelangt:

hier unter diesem Baum
ich bin voll erfüllt
Sehnsucht?
was ist das?
ich habe alles was ich brauche
ich habe auch keine Fragen mehr
ich bin mir selbst genug

manchmal schneide ich mir die Fuss und die Fingernägel
und morgens ein bisschen Hatha Yoga
dann grinse ich besonders
bei der Postur der Anbetung der Sonne
ein glückliches Grinsen

kein verbissenes
ich bin euer Hansi
und habe es geschafft!

Hansi braucht keine Industriegesellschaft. Die Gegenposition dazu erscheint in einem – inzwischen aus dem Web verschwundenen deutschen Politikforum:
Ich werde Schmarotzer!
In Bezug auf unsere beiden Dauerbrenner-Threads habe ich mir überlegt, jetzt Schmarotzer zu werden:

Meine Vorteile:

Ich arbeite nicht mehr. Ok, das ist dann eh klar. Habe keine 24-Stunden-Schicht, keine Steuerlast, Miete wird bezahlt, Kleidung wird bezahlt, Reparaturen werden bezahlt, mir steht sogar ein Schuhschrank auf Staatskosten zu (hatte ich bisher nicht/freue mich), keine Zuzahlung im Krankenhaus, keine Steuererklärung, jederzeit rundum versichert, versorgt, verwaltet. Brauche mich über Parasiten endlich nicht mehr aufzuregen, bin jetzt selber einer. Geil!

Ich brauche mich um nichts mehr zu kümmern. Ich liege im Sonnenstudio.

Nur die Hand aufhalten in einem bequemen Sessel im Flur auf dem Amt, aber da kann ich mir ja mit einer guten Flasche Wein und ein wenig Lachs die Wartezeit versüßen.

Was für ein wunderbarer Staat.

Schmarotzerförderer, Schmarotzerunterstützer, Schmarotzerschützer.“

Wer will, darf gespannt sein, wie der Konflikt ausgeht. Ich bin jedenfalls fest entschlossen, mich nicht darum zu kümmern.
..

Neonazis und andere Freunde der Meinungsfreiheit

Erich Mielke

Foto von Erich Mielke aus dem Bundesarchiv, Bild 183-R0522-177 / CC-BY-SA bei wikipedia „Ich liebe doch alle Menschen“

 Was befreundete Autoren, die sich mit den Kollateralschäden des SED-Stasi-Sozialismus auseinandersetzen, schon seit Jahren erzählen, wovor ich mich hier in meinem schönen Baden-Baden weitgehend sicher fühlte, das erreicht mich nun über die „Social Networks“ – nicht unerwartet und unvorbereitet: die Attacken von mobbenden, spätberufenen Verteidigern der DäDäÄrr. Sie leben nicht in Schwedt an der Oder, Berlin-Lichtenberg oder Suhl in Thüringen, sondern seit ihrer Geburt im Westen, haben das bis heute merkliche Defizit an Konfliktkultur in der Bundesrepublik als persönliche Verfolgung, als Ungerechtigkeit, sich selbst als gedemütigte “Linke” in einer Welt des US-dominierten Kapitalismus, der integrierten Nazimitläufer empfunden: Helden höherer Moral in einer feindlichen Welt.
Nur wenige schafften es, durch einen Aufenthalt in Stuttgart-Stammheim die Brutalität zu beglaubigen, mit der “das System BRD” gegen seine Kritiker vorging. Die meisten wurden einfach Lehrer, Kleinkünstler oder Empfänger staatlicher Fürsorge. Es war nicht einfach, es nach Stammheim zu schaffen. Bautzen ging viel, viel leichter. Aber – mal ganz ehrlich: das hätten sie auch nicht ausgehalten, ohne hartgesottene Antikommunisten zu werden.

Noch nehme ich die mir von der guten alten Stasi vertraute Zuwendung  mit Humor. Die Posts solcher Leute sind von einer Schlichtheit, die sie mit Angestellten der SED-Kreisleitung Posemuckel auf gleiche Höhe bringt, was jeden 14jährigen Facebooknutzer zu Lachnummern inspiriert – aber der aggressive Furor ist unüberseh-, unüberhörbar. Wenn einer sich selbst nur einfach mal das Geschriebene vorliest, schwinden letzte Zweifel:

Kämen sie wieder zur Macht – sie liebten uns auf ihre Weise. Ohne Gnade.

Im Traum vollkommen

Unsentimentale Trauerarbeit

Träume sind unentbehrlich fürs Leben – im Wachen und im Schlaf. Auch Alpträume haben ihren Sinn, andererseits erweist sich manchmal als Alptraum, was zunächst Wunschtraum war: Wer fragt schon nach den möglichen schlimmen Folgen eines Lottogewinns, errungener Siege, unerschütterlicher Gesundheit? Unsere Phantasie wünscht dem Glück Dauer zu verleihen; Vergänglichkeit und Tod sind nur im unstillbaren Schmerz, in höchster Verzweiflung wünschenswert. Der Tod eines geliebten Menschen ist ein Alptraum.

Deshalb hat es eine Weile gedauert, ehe ich mich auf die Novelle einlassen mochte – sie beginnt mit einem “Herzriss” beim Sport, ein Mann in der Blüte des Lebens stirbt, stürzt seine Frau, seine beiden Söhne in eine nie erwogene, kaum auszuhaltende Abfolge von Schock, Schmerz, Wut, Trauer, von verzweifeltem Mühen um Bewältigung des Alltags, in dem er allgegenwärtig fehlt.

Obwohl Marion Tauschwitz den Personen keine Namen gibt, sie gleichsam auf ihre Stellung der Witwe gegenüber funktionalisiert – “die Kinder”, “der ältere”, “der jüngere Sohn”, “der Schwiegervater”, “die Freundin” … – war ich von den sprachlich knappen Mitteilungen über die Leiden der “jungen Frau” im Mittelpunkt des Dramas ergriffen. Sie will keine Witwe sein. Sie regelt ihr Leben, das der Söhne nach bestem Vermögen, sträubt sich gegen von Verwandten erwartete Rituale und betet – gegen jede Vernunft – um die Wiederkehr ihres Mannes. Das ist gut zu verstehen, denn Marion Tauschwitz zeichnet eine Wunschehe, sie ist ihrer Hauptfigur darin von Herzen nahe.

Träume des Tages und der Nacht, poetische Wunderzeichen bereiten auf den mythischen Moment vor, die “Auferstehung von den Toten”. Natürlich wird sie angesichts einer im Alltag längst eingewachsenen Abwesenheit des Mannes zum Alptraum. Nur eine Wahnsinnige kann Auferstehung erleben, für den Rest der Welt gilt eine andere Zeitrechnung.

Der von den Toten Auferstandene erweist sich zugleich als dunkler Wiedergänger des Verstorbenen: Wo jener aufmerksam und liebevoll war, ist dieser ignorant, egozentrisch, gefühllos. Als sei gewissermaßen nur die düstere Seite des Mannes zurückgekehrt, als könne er nur noch Defizite verkörpern, erschüttert er die Anhänglichkeit der Witwe, treibt sie von sich fort. Das Erwachen aus dem Alptraum wird zur psychotherapeutischen Pointe.

Vielleicht hat Marion Tauschwitz das so nicht beabsichtigt – der Hinweis, in einer noch so glücklichen Beziehung die Nachtseiten des Partners besser nicht zu beschönigen und zu verdrängen ist jedenfalls so angebracht wie unbefolgt; dasselbe gilt für allerlei Sprüche aus dem Munde der Großmutter, die von der Autorin – bisweilen ironisch – in den Text gestreut werden. Liebe macht blind, Trauer wohl auch. Und wie nun Schlafen, Wachen, Wähnen, Wünschen und Träumen zu unserem Glück am besten zu verbinden wären, darüber rätselte der große Shakespeare, ich habe gerne gelesen, was Marion Tauschwitz seinem berühmten Satz: “Wir sind vom Stoff aus dem die Träume sind, und dieses kleine Leben umfasst ein Schlaf” abgewonnen hat.

Wenn Politiker weinen

Der libysche UNO-Botschafter hat mit Zeichen emotionaler Bewegung vor seinen Kollegen öffentlich bekundet, dass Ghaddafi, gerade noch sein großer Führer und Geschäftspartner beim Ausplündern der Libyer, nicht länger sein Chef ist. Mir fiel angesichts der Krokodilgesichter, die bei dieser Gelegenheit in die Fernsehkameras glibberten, ein alter Text ein. Darin geht es um die unauflösliche Wertegemeinschaft zwischen Journalisten und Mächtigen. Sie wird immer mehr zur Herzensangelegenheit. “Marienhof” war gestern. Die ganze Welt ist eine einzige Dokusoap.

Nichts beweist die Nähe zwischen den Politikern unseres Landes und dem gemeinen Volke eindringlicher, als die herzlichen Gefühle, die wir alle dank der Massenmedien miteinander teilen dürfen. In einer Sternstunde des Journalismus – leider weiß niemand mehr genau, wer erleuchtet wurde und wann – ward die Leitidee geboren „Gehet hin mit euren Notizblöcken, Mikrofonen und Kameras und erfragt vor allem eines von euren Interviewpartnern: was empfanden sie, als… (die Punkte sind durch erlittene Geiselnahmen, Lottogewinne, Scheidungsurteile oder Wahlniederlagen zu ersetzen) “.

Von da an durften Politiker hoffen, nicht länger entweder als dröge Faktenhuber oder Opfer böswilliger Karikaturen („Birne“, „Ziege“, „rote Heidi“, „Genschman“ etc.) herhalten zu müssen, sondern in ihrer ganzen liebenswerten Menschlichkeit zu wirken, namentlich auf Bildschirmen. Recht eigentlich können wir nun von Mediendemokratie sprechen, denn Maßstab öffentlicher Auftritte sind allein menschliche Gefühle. Nicht länger verschließt sich kühl formuliertes Herrschaftswissen dem Verständnis des Publikums: endlich kann sich jeder Mann, jede Frau, ja jedes Kind kompetent fühlen, über Ziele und Motive der Regierenden sachkundig zu urteilen, denn es geht um Psychologie. Genauer: um jene Äußerungen von Schmerz, Trauer, Zorn und – sagen wir es ruhig: Betroffenheit!, deren Dynamik unser aller Leben bewegt.

Was vor mehr als zweihundert Jahren vom Schweizer Pastor Lavater und unserem großen Goethe mit den „Physiognomischen Fragmenten zur Beförderung von Menschenkenntnis und Menschenliebe“ begonnen wurde – die Massenmedien und vornehmlich das Fernsehen bringen es zur Vollendung: jeder Mensch ist Psychologe! Und so entscheidet er über das Schicksal des Gemeinwesens mit, indem er seine in der „Lindenstraße“ und bei „Big Brother“ erworbene Fähigkeit nutzt, Sympathische von Unsympathischen zu scheiden und Urteile über jemandes Glaubwürdigkeit sowie seine Tugenden und Laster zu sprechen. Und dann schreitet er zur Wahlurne.

So durften wir erleben, wie gut es auch unseren Politikern zu Gesicht steht, sich in fein differenzierter Menschenbeobachtung zu üben. Hat doch nach einer Sitzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses in der CDU- Spendenaffäre Herr Ströbele, Abgeordneter der Grünen, die von Frau Baumeister vergossenen Tränen in die Waagschale der Glaubwürdigkeit geworfen. Sie neigte sich daraufhin zu Ungunsten von Wolfgang Schäuble. Ströbele ist uns nicht länger fremd. Voller Spannung erleben wir, wie aus einer Affäre eine Herzensaffäre wird. Wir nehmen uns vor, unsere Abgeordneten, Minister und Beamten, selbst Kanzler, Kanzlerinnen und Bundespräsidenten künftighin mit anderen Augen zu sehen: so wie Hansemann, Mutter Beimer oder die Punchingbälle von Dieter Bohlen und Heidi Klum.

Manchmal beschleicht mich allerdings der Verdacht, dass es längst Beraterverträge, dass es gar ein Kartell geben könnte. Schließlich beschäftigen viele Manager Schauspiellehrer, um ihre „Performance“ zu verbessern. Und dann frage ich mich: ist das jetzt noch gute, echte Seifenoper oder schon böse, verlogene Politik?

Vom Vergnügen, „Babels Berg“ zu besteigen

Die Germanistin Dominique Wendland-Stindel kennt sich, da sie aus Frankreich kommt, in der deutschen wie französischen Literatur aus; unser Gedankenaustausch bei „Leben Lesen“ und im freundschaftlichen Kreis ist äußerst anregend. Aus ihrer Feder hätte ich auch scharfe Kritik zu meinen Romanen dankbar entgegen genommen. Umso mehr hat mich gefreut, dass sie „Babels Berg“ mit Vergnügen gelesen hat.
Soviel sei nur verraten : Sennewalds „Babels Berg“ ist viel, viel mehr als die (erwartete) Schilderung einer Jugend in der DDR der 60er und 70er Jahre. Es sind die beispielhaften, mal umwerfend komischen, mal bedrückenden, aber immer mitreißenden Lehrjahre eines neuartigen Candide namens Gustav Horbel. Er, der Physikstudent in Ostberlin, ist Zeuge und Akteur einer Fülle von Ereignissen und Entwicklungen, die ihn – und uns Leser – manchmal bis zu der Frage bringen könnten, ob die Welt ( nun ja, die damalige … ) doch nicht etwa eine Scheibe sein könnte. Eine sich ewig drehende oder ins Unendliche fliegende, versteht sich.

Mit welcher Chuzpe der Physiker Sennewald für den Augenblick eines folgenschweren Diskuswurfs die Naturgesetze ausser Kraft setzt, ist eines Mikhail Bulgakow oder eines Georges Méliès würdig. Und auch der „Überhorbel“ als freudscher Schutzengel sei hier erwähnt als ein Beispiel für die vielen augenzwinkernden Jubelmomente, die den Leser reichlich belohnen.

Sollte ein Kinoliebhaber – etwa aufgrund des Titels – einen Rückblick auf die berühmte Potsdamer Filmfabrik erwarten, so wird er hier Anderes, aber auch viel Besseres finden – nämlich ein filmreifes Drehbuch in der Gestalt eines sprachlich eleganten Romans : verblüffende Bildmetaphern, spritzige Dialoge, skurrile bis hinreißende Akteure, einen temporeichen Szenenwechsel, einen hintergründigen, niemals menschenverachtenden Humor. Dem Autor ist ein erstaunlicher Grenzgang , nicht nur zwischen Ost und West, sondern zwischen Fiktion und Realität, Dichtung und Naturwissenschaft, Satire und Information glänzend gelungen. Diese fulminante “ Raumzeitreise“ durch Ost- und Westberlin um 1970 – und weit darüber hinaus – ist eine große Lesefreude, die ich jedem empfehlen kann.

Schmutzige Strahlen – saubere Strahlen

Binsenwasen bei Baden-Baden

Sonne und Schnee - Symbole der Reinheit

Aus China kommt eine Erfolgsmeldung: Der “Spiegel” und andere Publikationen geben eine Information des chinesischen Staatsfernsehens weiter, wonach Wissenschaftler daselbst einen entscheidenden Schritt bei der Aufbereitung benutzter Brennstäbe aus Atomreaktoren voran gekommen sind.

Das wäre ein Durchbruch für die Nutzung von Energie aus der Spaltung von Atomkernen. Sie ist seit dem Unfall im sowjetischen Atomkraftwerk Tschernobyl im April 1986 zum Symbol für “schmutzige” Energie geworden, weil die Explosion eines Reaktors damals unbeherrschbar große Mengen radioaktiver – also für menschliches Leben gefährlicher – Partikel in die Atmosphäre schleuderte. In Deutschland starb kein einziger Mensch, nur die Forschung an dieser Form der Energieerzeugung; Diskussionen zum Thema nahmen religiöse Züge an. Massenhaft wurde das Mantra: “Sonne und Wind sauber, Kohle, Öl und Kernenergie schmutzig” wiederholt; sich an Bahngeleise zu ketten, Transporte von radioaktivem Müll zu verhindern gilt manchen als Heldentat.

Solche Transporte würden die Chinesen künftig nicht mehr brauchen, denn sie könnten direkt neben den Kernspaltungs-Reaktoren Anlagen zur Aufbereitung von Brennstäben betreiben. Sie werden das bestimmt tun, schon um die begrenzten Reserven an spaltbarem Uran um den Faktor 60 (!) besser zu nutzen. Sie werden die bösen, schmutzigen Chinesen sein.

Unsere Grünen, unsere politischen Saubermänner aller möglichen Parteien aber werden ihrer Gemeinde die frohe Botschaft verkünden: ihr seid sauber! Denn bei der Produktion von Solarzellen  (aus Kostengründen gern in China), Windrädern, Biogasanlagen, bei deren Transport an Einsatzorte, bei deren Wartung, Reparatur, Erneuerung, bei der Produktion von wärmedämmenden Kunststoffen für die Sanierung unzähliger Altbauten nebst deren Erneuerung, weil sie sich als Schimmelbrüter erweisen, bei Monokulturen aus die Landschaften verwüstenden Mais- Raps- und Werweißwas-für-Energiepflanzen, bei der klimaverändernden Wirkung von Windparks für die atmosphärischen Strömungen bleibt es sauber, sauber, sauber – das Gewissen. Gefährlich sind immer die anderen.

Ein guter Freund hob auf die “Spiegel”-Meldung hin beschwörend die Hände: “Wiederaufbereitung! Das schmutzige Strahlungszeug könnte ja dann direkt am Weltmarkt gehandelt werden, auch von Schurkenstaaten!” Könnte es. Wird es vermutlich auch. Ich bin nur nicht sicher, ob aus einem Schurkenstaat durch das Aufstellen von Windrädern ein achtbares Gemeinwesen wird, mal abgesehen davon, dass für solche Sozialgebilde – in der Regel durch religiöse Wahnvorstellungen zusammengehalten – wir die Schurken sind.

Jetzt fragen Sie mich mal, welche Wahnvorstellungen uns zusammen halten. Es ist – neben anderen – die, Probleme der Zivilisation, also vor allem , mit technischen Mitteln lösen zu können. Man nennt das auch “Versachlichen”. Abgesehen davon, dass diese Wahnvorstellung täglich neue Katastrophen hervorbringt – sie ist nur eine Form des Herrschaftswahns, dessen Ziel die ist. Herrschaftswahn ist vor allem an einem Symptom zu erkennen: Schmutzig sind die anderen; jede Frage wie schmutzig die eigenen Geschäfte sind, jede Diskussion, ob Schmutz womöglich zum Leben gehört, wird ausgeblendet. Aber “Reinheit” ist keine Kategorie der Natur, nur eine Hervorbringung jener Kultur, die sich selbst als “sauber” deklariert, um alles “Schmutzige” dominieren bzw. ausrotten zu dürfen.

Der Schnee ist nicht sauber. Die Sonnenstrahlen sind es auch nicht.

Leben Lesen

Interview in "Freies Wort" - zum Lesen anklicken

Interview in "Freies Wort"

Am 4. November veröffentlichte die Suhler Regionalzeitung „Freies Wort“ ein Interview zur Arbeit an der Romantrilogie, deren zweiter Teil, „Babels Berg“ Ende Oktober in Suhl und Berlin Premiere hatte. Zwei Verkaufstage genügten, um auf der Bestsellerliste für Oktober prominente Autoren zu überflügeln: Tilo Sarrazin landete auf Platz drei, Joachim Gauck auf dem zweiten Rang.

Natürlich war’s für ein „Heimspiel“, natürlich ist Suhl eine kleine Stadt – dennoch freue ich mich, dass die Lesung viele Zuhörer überzeugte, dass auch an den Tagen darauf Leser den freundlichen Buchhändlern, der Familie Waniek, einen Besuch abstatteten. Buchhändler und kleine Verleger haben’s bekanntlich nicht leicht – herzliches Dankeschön um so mehr an sie und natürlich an meine Verleger Hans Jürgen und Bastian Salier.

Vorlesen? – Mit Vergnügen!

Zeitungsartikel 30.10.2010

Bericht von der Buchpremiere zu "Babels Berg"

Lilian Klement, Redakteurin der Regionalzeitung  „Freies Wort“ hat einen Bericht über die Buchpremiere von „Babels Berg“ in Suhl geschrieben – der Spaß, den Publikum und Vorleser dabei hatten, ist spürbar. Mehr kann sich eigentlich kein Autor wünschen, höchstens, dass sich Mundpropaganda langfristig als wirksamstes Verkaufsargument erweist. Ich zweifle jedenfalls nicht daran, dass Leser zu der deutsch-deutschen Romantrilogie „Blick vom Turm“ – „Babels Berg“ – „Raketenschirm“ ein sehr viel persönlicheres Verhältnis entwickeln, als zu den von PR-Strategen in den Buchmarkt gepressten Bestsellern, die nach wenigen Jahren zu Hunderttausenden als Pfennigartikel im Internet digital verramscht werden. Nachzulesen ist das jetzt schon bei amazon.

Wiedergefunden und neu entdeckt

Bucheinband von der amazon-Seite
Bucheinband von der amazon-Seite

Ionesco war über 60, als er seinen ersten Roman vorlegte, er war längst berühmt als Erzähler und Bühnenautor, er war ein Clown, einer von hohen Graden, der sich nicht über andere lustig macht, sondern über sich selbst, ein Philosoph dazu.
Vermutlich ist das ein Grund dafür, weshalb sich “Der Einzelgänger” heute so aktuell und erheiternd liest. Ionesco stemmt seine anregenden philosophischen und psychologischen Einsichten nicht mit Wortgewalt aufs literarische Proszenium, er legt sie einem unscheinbaren, unheldischen Frühpensionär in den Mund – genauer: er gibt ihm eine Gedankenstimme. Dann lässt er ihn durch die Gassen , die Läden und Restaurants einer Pariser Vorstadt stolpern (es könnte beinahe jede andere Großstadt sein) und am Alltag scheitern, während eben dieser banale Alltag sich in ein Tollhaus von Bürgerkrieg, Revoluzzergeschrei und Anarchie verwandelt. Der Antiheld verbarrikadiert sich in seiner Wohnung, lässt den Weltuntergang, wohlversorgt mit Alkohol, dem Treibstoff seines Sinnens, vorüberziehen, Ende gleich Anfang, die Banalität hält wieder Einzug, der Trinker aber hat immerhin eine Vision gehabt: Er hat einen Zipfel universaler Helligkeit ergriffen.
Ein wundersam traurig-komisches Buch ist das; ich konnte mich dem kleinen großen Sonderling so wenig entziehen wie ich sein Leben teilen möchte. Den Schmerz an der Nahtstelle aus Vereinzelung, Bedürfnis nach sozialer Bindung und Abscheu vor der Banalität kenne ich. Und natürlich war ich überrascht, wie weit Ionescos philosophisches Verständnis vor fast vierzig Jahren ging. Er hatte ein untrügliches Gespür für überzeitlich Verhaltensmuster – und die spezifische Form, die sie mit Beginn der 70er Jahre anzunehmen begannen. Heute lesen wir das und staunen.

Eugène Ionesco “Der Einzelgänger” aus dem Französischen von Lore Kornell in der dt. Erstausgabe Hanser 1973, 163 Seiten

Ermutigung mit Zeitzünder

Es hat zwar ein bisschen gedauert, aber wenn nach vier Jahren ein Buch so gelobt wird, wie „Der menschliche Kosmos“ jetzt vom wirklich sachkundigen Andreas Zeuch auf „psychophysik.com“, dann ist es ein deutliches Zeichen für die Frische der Texte und ein Grund zur Freude:
„Wer sich von – wie es auf dem Buchrücken selbst lautet – „Fundsachen“ inspirieren lassen kann, wird reich belohnt. Und wer dann noch bereit ist, die „praktischen Übungsstückchen“ zu erkunden, wird aus eigener Erfahrung Neues lernen können.“